1qm Lein - Flachsanbau und Verarbeitung

"1qm Lein" ( 1qmlein.at) ist der Name eines Mitmachprojektes zum Anbau und zur Verarbeitung von Faserflachs. Es wurde 2025 von Christiane Seufferlein (bertas- flachs.at) in Österreich gestartet. Alle die Zugang zu Gartenerde, einem Garten, Balkon oder Blumentopf haben, sollten sich daran beteiligen können. 

 

Als begeisterte Weberin habe ich im Frühjahr 2025 beschlossen, mitzumachen, in meinem Garten Flachs zu säen, die reifen Flachsstengel zu ernten und diese in vielen Arbeitsschritten weiter zu verarbeiten.

Diese einzelnen Schritte möchte ich für die OK -Werkstatt dokumentieren und Euch in drei aufeinanderfolgenden Berichten vorstellen: 

 

In diesem ersten Bericht beschreibe ich die Ansaat des Leins, das Raufen, Riffeln und Rösten der reifen Faserstengel. 

 

 

 

 

 

 

1.) Die Ansaat der Leinsamen.

Traditionell sollten am 100. Tag des Jahres die Samen gesät werden.

Auf einem kleinen Rasenstück habe ich Mitte April 2025 ein kleines Wiesenstück in der Größe von 1qm umgestochen, diese Fläche von allen Beikräutern befreit und das Samengut in vorbereiteten Rillen ausgebracht. Das Saatgut hat Stefan Fölser aus dem Mühlviertel ( www.naturfaser-foelser.at)

für dieses Projekt zur Verfügung gestellt.

Auf dem ersten Foto vom 22.4.2025 seht ihr die ersten kleinen Pflänzchen. 

 

 

 

 

 

 

Bereits im Juni konnte man dann die hübschen blauen Blüten des Leins (auf dem Foto leider sehr blass) bewundern. Die Flachsblüte öffnet sich immer morgens, gegen Mittag schließt sie sich wieder und da jede Pflanze mehrere Knospen ausbildet, blüht das Feld über mehrere Wochen. Die Blüte zeigt an, dass der Flachs bereit ist, Samen zu bilden. Blasse blaue Blüten auf den nun schon hoch gewachsenen Fasern. 

 

 

2.) Raufen - so nennt man das Ernten der reifen Stengel.
Sind die Flachsstengel reif, werden sie mitsamt der Wurzel aus der Erde gezogen und anschließend gebündelt. Man unterscheidet zwischen
• der Grünreife (etwa 25 Tage nach der Blüte) - hier sind die Stängel noch saftig grün, die Samenkapseln noch unreif, wer jetzt erntet bekommt besonders feine Fasern aber kein Saatgut -
• der Gelbreife (etwa ein bis zwei Wochen später) - diese ist ideal für hochwertige Fasern und für brauchbares Saatgut -
• und der Vollreife ( nach etwa 40 Tagen) mit gröberen Fasern und vollständig ausgereiftem Saatgut. 

 

 

 

3.) Trocknen

Damit die Samen geerntet werden können, müssen die Bündel gut trocknen. Ich habe die einzelnen Bündel auf einen Wäscheständer gehängt und in die Sommersonne gestellt. 

 

4.) Riffeln - Ernte der Samenkapseln
Sind die Flachsstengel gut getrocknet und rascheln die Samelnkapseln wenn man sie schüttelt, kann geriffelt werden. Dabei werden die Samenkapseln von den Stengeln abgestreift - entweder mit der Hand - bei kleinen Mengen - oder mit einem Riffel, einem grobzackigen Gerät, durch dessen Zacken die Pflanzen gezogen werden.

Um die Samen aus den Kapselhüllen zu entfernen, habe ich diese mit einem Nudelwalker gerollt, schließlich Leinsamen und Kapselschalen mit Hilfe eines groben Siebes voneinander getrennt. Die so gewonnenen Samen mit den restlichen feineren Kapselrückständen habe ich auf einen Teller geleert und vorsichtig darauf geblasen. So sind die leichteren verbliebenen Rückstände davon geflogen und die schwereren Samen übrig geblieben. 

 

5.) Rösten

Nach der Ernte folgt beim Flachsanbau einer der wichtigsten Schritte - die Röste. Das Wort "Röste" hat nichts mit Hitze zu tun, sondern kommt vom Wort "rotten", also verrotten. Durch die Rotte zersetzen sich die pflanzlichen Bindemittel durch Mikroorganismen ( Bakterien, Pilze) , so lassen sich später die Bastfasern vom Holzkern lösen. Der Röstzeitpunkt kann flexibel gewählt werden.
Im Gegensatzt zur Wasserröste, wo die Flachsstengel in ein Wasserbecken, eine Badewanne ...vollständig unter Wasser gelegt werden, habe ich mich für das heute gebräuchlichste Verfahren, die Tauröste entschieden und damit gleich nach der Ernte und dem 1. Trocknen begonnen. Dabei werden die einzelnen Bündel gleichmäßig auf der Wiese oder dem Feld ausgebreitet und regelmäßig gewendet. Morgentau, Sonneneinstrahlung und Luftfeuchtigkeit arbeiten zusammen und starten die mikrobielle Zersetzung. Die Tauröste dauert mehrere Wochen, sie ist abhängig vom Wetter und der Temperatur und sie ist im Gegensatz zur Wasserrotte umweltschonend. Solange die Fasern fest an den "Schäben" kleben, braucht der Flachs noch Zeit, dauert hingegen die Röste zu lange, wird die Qualität der Fasern nachhaltig geschädigt.
Über mehrere Wochen habe ich bei wechselhaftem Sommerwetter regelmäßig Stichproben genommen, einen Stengel getrocknet, zwischen den Fingern gerieben und gebrochen. Erst als sich die Fasern leicht vom Holzkern gelöst haben und die "Schäben" (holzige Teilchen) abgefallen sind, konnte ich den Röstvorgang beenden.
Ob ich allerdings den richtigen Zeitpunkt erwischt habe, wird sich erst beim übernächsten Schritt, dem Brecheln zeigen. 

6.) Trocknen

Dieser 2. Trockenvorgang ist überaus wichtig, damit die Röste nicht weiterläuft und nichts schimmelt. Jetzt werden die gebündelten Flachsstengel wieder aufgehängt oder aufgestellt.

Nach meinem 2. Trockendurchgang im Freien habe ich die

gebündelten Flachsstengel vor unserem Küchenherd, in dem ein Holzfeuer geprassselt hat, vollständig getrocknet und damit den Röstprozess abgeschlossen.

Auf die weiteren Schritte der Flachsverarbeitung, das "Brecheln", "Schwingen" und "Hecheln" werde ich im 2. Teil meines Berichtes eingehen und dort beschreiben, wie holzige Stengelteile und Flachsfasern voneinander getrennt werden können.
Er wird ab November auf der homepage der OKwerkstatt zu lesen sein

 

Stefanie Ellensohn-Klinkan 

 

 Trockenvorgang vor dem Holzfeuer